Green Office: Herr Prof. Dr. Henning Pätzold, welche Positionen besetzen Sie an der Uni Koblenz?

Henning Pätzold: Ich bin Professor für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Forschung und Entwicklung in Organisationen. Außerdem war ich von 2020-2023 in der Campusleitung Campusbeauftragter für Transfer, Region, Weiterbildung und Nachhaltigkeit. Damit war Nachhaltigkeit zum ersten Mal als eigene Aufgabe in der Leitung abgebildet. Nach der Wahl des Präsidiums der neuen Universität Koblenz bin ich von diesem beauftragt worden, den Bereich Nachhaltigkeit weiter zu vertreten.

Green Office: Was ist ein Beauftragter für Nachhaltigkeit?

Henning Pätzold: Laut Hochschulgesetz müssen Hochschulen gesetzliche Aufgaben erfüllen und dafür Sorge tragen, dass diese möglichst gut umgesetzt werden (z.B. Weiterbildung). Dafür werden Präsident*innen und Vizepräsident*innen gewählt und ernannt, die für spezielle Aufgabenbereiche verantwortlich sind. Für bestimmte Aufgaben können sie zusätzlich Beauftragte einsetzen. So bin ich nun (weiterhin) für den Bereich Nachhaltigkeit zuständig.

Green Office: Welche Aufgaben hat ein Beauftragter für Nachhaltigkeit?

Henning Pätzold: Hochschulen müssen sich momentan selbstständig darum bemühen, Rahmenbedingungen zu schaffen, um nachhaltiges Handeln zu fördern. Meine Aufgabe ist es, hier Aktivitäten anzustoßen und vor allem miteinander zu verbinden. Denn es gibt in Koblenz gar nicht wenige Aktive, sei es beim insektenfreundlichen Campus, nachhaltiger Beschaffung oder Energienutzung. Das Ziel ist es, dass alle noch viel mehr voneinander wissen und sich abstimmen können.

Die Rolle des Zuständigen für Nachhaltigkeit an der Universität sehe ich zusammengefasst, darin, dafür zu arbeiten, dass die Universität in der Region und zusammen mit den Mitarbeitenden und Studierenden zu einem Vorbild in Bezug auf nachhaltiges Handeln wird. Das kann nicht einer allein machen und deshalb geht es auch darum, die verschiedenen Initiativen zu fördern. Das Green Office ist da ein wichtiger Schritt gewesen und ich freue mich, dass es so erfolgreich arbeitet.

Green Office: Was macht Ihnen daran besonders viel Spaß?

Henning Pätzold: Nachhaltigkeit ist eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft. Einerseits kann man die “dicken Bretter” nur gemeinsam bohren (z.B. den Übergang zu nachhaltiger Mobilität), andererseits sind Erfolge auch hier die Summe von Einzelmaßnahmen. Wenn eine Person vom Auto aufs Rad umsteigt, ändert das nichts. Aber wenn 40% der Studierenden mit dem Rad zu Uni kämen, wäre das letztlich das wirksame Resultat von 4000 Entscheidungen einzelner Menschen. Beides miteinander zu verbinden und zu sehen (oder manchmal auch zunächst nur zu hoffen), dass das Engagement von anfangs oft nur Einzelnen andere mitzieht und eine richtige Entwicklung daraus entsteht, macht Hoffnung. Und ein positiver Blick auf Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die ja nicht in erster Linie Verzicht sind, sondern oft bereichernd sind, macht Spaß.

Green Office: Welche Herausforderungen bringt sie mit sich?

Henning Pätzold: Alles geht langsamer, als ich mir wünschen würde. Wir alle verlieren viel Zeit in wenig produktiven Rückzugsgefechten. Für mich ist Nachhaltigkeitsarbeit ja gerade keine Lobby-Arbeit, die an sich rot, grün, gelb oder schwarz ist. Dennoch entsteht schnell der Eindruck, jemand wolle sich gegenüber anderen profilieren, den eigenen Lebensstil für allgemeinverbindlich erklären usw. Und Veränderungen zuzustimmen ist oft nicht einfach, gerade wenn uns gleichzeitig so viele Veränderungen aufgezwungen werden. Aber, um es mit dem berühmten Zitat von Erich Fried zu sagen: “Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.”

Übrigens, wenn man Nachhaltigkeitsarbeit als Lobby-Arbeit sehen möchte, dann ist sie vermutlich die Lobby-Arbeit für nach uns kommende Generationen. Dieser Sichtweise könnte ich mich anschließen.

Green Office: Gibt es etwas, das Sie dadurch erreicht haben und auf das Sie besonders stolz sind?

Henning Pätzold: Stolz bedeutet ja immer, ein bisschen Eitel zu sein und Dinge, die letztlich viele gemacht haben, auf sich zu beziehen. Aber ein bisschen Eitel bin ich auch und so bin ich auch ein bisschen stolz, mit daran beteiligt gewesen zu sein, dass es am Campus Koblenz nun ein aktives Green Office gibt. Und dass Nachhaltigkeit im Entwicklungsplan der Hochschule als Thema fest verankert und auch konkret mit Zielen operationalisiert ist.

Green Office: Welche Projekte stehen in der nahen Zukunft an?

Henning Pätzold: Wir werden in diesem Winter Energie sparen müssen. Das hätten wir auch vorher schon tun müssen, aber jetzt ist es durch den Angriffskrieg Russlands und seine Folgen allen klar. Das müssen wir schaffen und wir müssen es schaffen, die Sparmöglichkeiten, die wir dabei erproben und entdecken, nicht wieder in den Wind zu schlagen, falls es einmal wieder billigere Energie geben wird.

Wir müssen auch die Universität resilienter machen, in Bezug auf die Folgen des Klimawandels. Dazu gehört, mehr Schatten auf dem Campus zu schaffen, mehr Möglichkeiten, Regenwasser zu sammeln, vielleicht auch mal andere Lehr- und Arbeitszeiten auszuprobieren.

Und wir müssen weiterhin unseren CO2-Ausstoß reduzieren, selbst wenn wir “nur” die Klimaziele des Landes Rheinland-Pfalz einhalten wollen. Damit können wir warten, bis irgendwann vermutlich wenig erfreuliche Maßnahmen angeordnet werden, oder wir beginnen schon jetzt mit dem Ausloten von Einsparpotenzialen.

Die Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit und Resilienz hat hierzu einen langen und nützlichen Katalog von Maßnahmen formuliert, die teilweise auch im Entwicklungsplan der Universität stehen. Ideen sind also da.

Green Office: Gibt es noch etwas, dass Sie den Studierenden und Mitarbeitenden der Uni mitteilen möchten?

Henning Pätzold: Universitäten sind Orte der Wissenschaft. Wenn wir uns also mit dem Klimawandel und seinen Folgen, aber auch mit Fragen der sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit beschäftigen, ist es nicht akzeptabel, dass wir hinter die Erkenntnisse der Wissenschaft zurückfallen. Wir wissen um die Folgen der CO2-Emissionen, wir wissen um Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher Ungerechtigkeit und Gewalt, wir wissen, dass die Geldwirtschaft auf Gewinnen in der Zukunft aufbaut, die nicht realisierbar sein werden, Stichwort: “carbon bubble”.

Gleichzeitig wissen wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch, dass wissenschaftliche Prognosen falsch sein können; wir können aber deswegen nicht die Hände in den Schoß legen und hoffen, wir hätten uns alle geirrt. Da halte ich es mit Marc-Uwe Kling: “Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in fünfzig Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern.” 

Interview mit dem Beauftragten der Hochschulleitung für Nachhaltigkeit

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